Start und Erfolg in einer Männer-dominierten Branche
Bartl startete auf den Kaffeefeldern in Uganda, die meist von Männern geführt werden. Aber auch als Exporteurin, Importeurin und auch in der deutschen Röstbranche musste sie ihre fachliche Kompetenz unter Beweis stellen. Diese Erfahrungen haben ihr Bild von Geschlechtergerechtigkeit geprägt und ihr eine klare Orientierung für ihre Geschäftsbeziehungen gebracht, die Männer nicht ausschließt und Frauen nicht bevorzugt, sondern Respekt, Wertschätzung und Nachhaltigkeit in den Fokus stellt.
Geschäftsmodell basiert auf Nachhaltigkeit und Transparenz
Der Direkthandel, eine enge Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort und ein nach wissenschaftlichen Kenntnissen unterstützter Anbau ermöglichen nach eigenen Angaben einen qualitativ hochwertigen Kaffee, bei dem nicht nur diejenigen fair bezahlt werden, die ihn veredeln, sondern auch insbesondere die Kaffee-produzent*innen, so das Geschäftsmodell. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Transparenz und Rückverfolgbarkeit. So wird auf jeder Kaffeetüte der*die jeweilige Kaffeeproduzent*in mit einem Foto abgebildet und mittels eines Audios vorgestellt. Fünf Euro pro Kilo Röstkaffee fließen in Form von lokal umgesetzten Entwicklungsprojekten zurück in die Mount Elgon Region. Dabei geht es Anna Lina Bartl insbesondere auch um die Verbesserung von Bildungs- und Einkommenschancen für Frauen. Workshops vor Ort und die Übertragung wichtiger Aufgaben an Frauen führen zu einer messbaren Verbesserung der ökonomischen Lage der Haushalte.
Mit nachhaltigem Management stabil durch die Krise
Die Preisträgerin betont, dass Mulembe Kaffee UG durch die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens eine höhere Krisenresistenz aufweist. Die engen Geschäftsbeziehungen, die ganzjährige und umfangreiche Unterstützung der kaffeeanbauenden Haushalte im Einklang mit der Natur, die angebotenen Lösungsstrategien in Bezug auf den Klimawandel, aber auch der wissenschaftliche Bezug und die persönliche Sichtbarkeit der Produzent*innen sorgten für eine ausgeprägte Loyalität und Verbindlichkeit, so dass weitere Produzierende Interesse an einer Geschäftsbeziehung angemeldet hätten.
Energieeffizienter Ressourceneinsatz und Erweiterung der Produktpalette
Der Nachhaltigkeitsgrundsatz zieht sich durch das ganze Unternehmen und zeigt sich auch im Energiemanagement. So spart die neue Röstmaschine des Unternehmens 80 Prozent der Energie einer durchschnittlichen Maschine. Die Abwärme soll darüber hinaus mittels Wärmrückgewinnung für den Warmwasserspeicher der umliegenden Wohnungen genutzt werden. Darüber hinaus wird dort künftig nicht nur Kaffee geröstet, sondern direkt importierter Kakao, Honig und Vanille weiterverarbeitet und abgepackt.
Anja Ritschel, Wirtschafts- und Umweltdezernentin der Landeshauptstadt Hannover:
„In diesem Jahr vergeben wir den Stadt Hannover Preis an eine Unternehmerin, die in besonderem Maß Unternehmer*innentum mit Nachhaltigkeit und sozialem Engagement verknüpft. Mulembe Kaffee UG ist ein Beispiel für gelungene Globalisierung und zugleich einer festen Verankerung vor Ort durch das Café im Stadtteil Limmer. Anna Lina Bartl beeindruckt durch ihre zukunftsorientierte, soziale wie nachhaltige Geschäftsidee und deren konsequente Umsetzung. Sie ist damit beispielhaft für andere, auch unabhängig von ihrem Geschlecht.
Friederike Kämpfe, Gleichstellungsbeauftragte und Vorsitzende der Jury:
„Seit nunmehr 20 Jahren wird der STADT-HANNOVER-PREIS an erfolgreiche Unternehmerinnen, Freiberuflerinnen und Geschäftsführerinnen verliehen. Es ist immer wieder inspirierend, einen Einblick in die Unternehmensgeschichten und Biographien der Preisträgerinnen zu erhalten. So unterschiedlich die Branchen und die Erfahrungen sind, eint sie der besondere Blick auf die Situation von Frauen als Arbeitnehmerinnen, als Kundinnen oder auch als Geschäftspartnerinnen. Im Fall der diesjährigen Preisträgerin steht neben Geschlechtergerechtigkeit der Aspekt der Nachhaltigkeit im Fokus. Diese beiden Ziele werden von der diesjährigen Preisträgerin auf herausragende Weise miteinander verknüpft. Gerade in Zeiten der Krise gilt es, diese Ziele zu verfolgen – lokal und global.“
Anna Lina Bartl, Preisträgerin des STADT-HANNOVER-PREIS „Frauen machen Standort“ 2022:
„Mit dem STADT-HANNOVER-PREIS ausgezeichnet zu werden, freut mich sehr. In Hannover und in Uganda arbeiten wir gemeinsam entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Kaffees. Angefangen bei der körperlichen Arbeit in den Kaffeegärten hin zum Rösten mit smarter Technologie. Immer auf Basis von Forschung und praxisnaher Implementierung von neuen Ansätzen oder der Optimierung altbewährter oder durch historische Ereignisse in Vergessenheit geratener Ansätze. Dabei stehen der Mensch und sein Umfeld stets im Fokus. Die Basis ist das Vertrauen der Kaffeeproduzierenden und ihre Offenheit für unsere Ideen. Durch die gute Zusammenarbeit können wir die Herausforderungen unserer Zeit und der Kaffeebranche, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel, angehen und gemeinsam einen zukunftsfähigen Kaffeeanbau ermöglichen. Da wir mit unserem Konzept schon messbare Verbesserungen erzielen konnten, es am Mount Elgon aber auch noch viele Herausforderungen zu meistern gilt, werde ich das Preisgeld in den Ausbau unserer wissenschaftsfundierten Beratung und Unterstützung beim Kaffeeanbau vor Ort investieren.“