Wohnimmobilienmarkt

Dynamik kühlt sich ab, Polykrisen belasten Angebot und Nachfrage

 

Hannover verzeichnet 2023 einen Höchststand an Fertigstellungen, während die Baugenehmigungen stark zurückgehen. Die Vielzahl von Krisen führt zu Unsicherheit bei Angebot und Nachfrage. Prognosen zeigen einen Rückgang der Kaufpreise bei Bestands- und Neubauten. Gleichzeitig steigen die Mieten und verschärfen die angespannte Marktlage. Investoren und Projektentwickler ziehen sich zunehmend zurück und beobachten den Markt abwartend, was zu Verzögerungen bei neuen Projekten führt.

 

Marktstimmung und Trends

Die Preise auf dem Wohnimmobilienmarkt sind zuletzt unter Druck geraten. Die Dynamik der vergangenen Jahre, mit teils deutlich steigenden Kaufpreisen und sinkenden Renditen, hat sich umgekehrt. Die Kaufpreise gingen zuletzt zurück, die Mieten stiegen allerdings weiterhin.

Zur Jahresmitte 2024 scheint sich der akute Preisverfall bei Wohnimmobilien jedoch abzubremsen. Vor allem Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen fangen sich wieder, was nicht zuletzt auf eine Stabilisierung der Zinsen zurückzuführen ist.

Unter den gegenwärtigen Finanzierungs- und Erstellungsbedingungen ist bei den privaten Haushalten in der Breite dennoch weiterhin das Kaufbudget begrenzt und für institutionelle Anleger*innen, Projektentwickler*innen, Wohnbauunternehmen und -genossenschaften steigt das Risiko in Bezug auf die erwartete bzw. benötigte Rendite.

Das hohe Zinsniveau engt die finanziellen Spielräume kaufwilliger Interessent*innen zunehmend ein. Zum einen werden Finanzierungsvorhaben von den Banken kritischer durchleuchtet und führen in der Summe zu niedrigeren Budgets vor allem für die privaten Haushalte, die einen deutlich höheren Teil des verfügbaren Einkommens als in der letzten Dekade gewohnt für Wohnen und die damit verbundenen (ebenfalls gestiegenen) Nebenkosten aufwenden müssen.

Auch bei institutionellen Investor*innen sind hohe Fremdkapitalquoten aktuell nicht wirtschaftlich. Das führt dazu, dass sich aus der Wahrnehmung der Marktteilnehmer*innen heraus das Transaktionsvolumen im Laufe des Jahres 2023 mehr als deutlich reduziert hat. 

Spürbare Zurückhaltung bei Kaufnachfrage

Erhöhte Umweltauflagen, Arbeitskräftemangel, regulatorische Hürden, weiter steigende Bau- und Materialkosten sowie Finanzierungsschwierigkeiten hemmen den Aufschwung der Neubautätigkeit. Trotz der ersten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank seit 2016 engt das hohe Zinsniveau die finanziellen Spielräume sowohl der Investor*innen als auch der kaufwilligen Interessent*innen nach wie vor ein.

Zum einen werden Finanzierungsvorhaben von den Banken kritischer durchleuchtet und führen in der Summe zu niedrigeren Budgets vor allem für die privaten Haushalte. Sie müssen einen deutlich höheren Teil des verfügbaren Einkommens als in der letzten Dekade für Wohnen und die ebenfalls gestiegenen Wohn-Nebenkosten aufwenden. Auch bei institutionellen Investor*innen sind hohe Fremdkapitalquoten momentan nicht wirtschaftlich. 

Dennoch erwarten die Marktakteur*innen, dass das im Vergleich zu 2023 deutlich niedrigere Zinsniveau eine positive Wirkung auf den Wohnimmobilienmarkt haben wird und sich Nachfrage und Angebot perspektivisch langsam erholen könnten. 

Fertigstellungen auf Rekordniveau, aber Baugenehmigungen deutlich rückläufig

Hannover verzeichnet 2023 mit gut 5.300 fertiggestellten Wohneinheiten in Stadt und Umland einen Höchststand an Fertigstellungen, während die Baugenehmigungen stark zurückgehen. Während 2021 mit etwa 5.170 Genehmigungen ein langjähriger Höchststand erreicht wurde, waren es im gesamten Jahr 2023 nur noch rund 3.140 genehmigte Wohnungen, was einem Rückgang von knapp 2.000 Fällen entspricht und damit auch um ca. 26 % unter dem 5-Jahresmittel (4.135 Wohneinheiten) liegt. 

Dieses Defizit wird das Gefälle zwischen Angebot und Nachfrage weiter vergrößern und den Druck vor allem auf die Mietpreise auch zukünftig erhöhen.  

Vervielfacher geben weiter nach

Die schwierig einzuschätzende Situation im Wohnsegment wird vor allem beim Blick auf den Vervielfacher erkennbar, der als wichtiger Indikator auf dem stark professionalisierten und für Investor*innen relevanten Markt für Mehrfamilienhäuser herangezogen wird. Nach dem starken Einbruch der Vervielfacher im Neubau von dem 32,5 auf 26,0 im letzten Jahr, wurde dieser Trend nur bedingt abgebremst und wird 2024 im Neubau mit 22,5-fach beziffert. Ähnlich die Entwicklung auch im Bestand: Hier ist im 5-Jahresmittel der durchschnittliche Vervielfacher um ca. 24 % gesunken und beträgt in diesem Jahr 19,1.

Ein Grund hierfür ist die Verhandlungsposition der Verkäufer*innen, die aktuell eher abwartend agieren. Teilweise geschieht das auch in Erwartung strengerer Anforderungen an die Energieeffizienz vor allem für Bestandsobjekte nach Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes bzw. der Maßgaben der EU-Taxonomie.

Der Prozess der Preisfindung vor allem im Bereich der Neubauimmobilien ist noch nicht abgeschlossen. Daher kann das Transaktionsgeschehen und die Mietpreisentwicklung zur Jahresmitte im Vergleich zu Referenzwerten nur als erste Kurseinschätzung für 2024 gesehen werden.

Mietmarkt steht unter Druck

Der Vermietungsmarkt steht zunehmend unter Druck, da potenzielle Käufer*innen abwarten und in der aktuellen Marktphase als Mieter*innen auf dem angespannten Markt verbleiben und infolgedessen die Mietnachfrage weiter ansteigt. Angesichts des im Immobilienmarktbericht aufgezeigten Mietpreistrends rechnen die Marktteilnehmer*innen daher mit weiterhin steigenden Mieten sowohl für Neubauten als auch für Bestandsobjekte. Die Mieten legten im Vergleich zu 2023 erneut zu und erreichen in diesem Jahr 17,50 Euro/qm für Neubauten und bei 14,00 Euro/qm für Wiedervermietungen in Spitzenlagen.

Zur Einordnung der im Immobilienmarktbericht ausgewiesenen Mieten für gute Wohnlagen: Der aktuelle Mietspiegel der Stadt Hannover weist für neuwertige Wohnungen (ab Baujahr 2010) mit mehr als 85 qm Wohnfläche eine Mietenspanne von 10,99 – 15,35 Euro/qm Kaltmiete aus (weitere Informationen und differenziertere Auswertungen für unterschiedliche Baualtersklassen, Größen und Lagen für alle 21 regionsangehörigen Kommunen finden sich unter www.hannover.de/mietspiegel).

© Hylive

Maßnahmen der öffentlichen Hand

Bürokratieabbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren und kürzere Fristen werden in der Novelle des Baugesetzbuches vorgeschlagen und sollen dem Wohnungsbau neuen Aufschwung geben. Ob und wie schnell diese Änderungen sich auswirken, bleibt abzuwarten.

Neben den umfangreichen Förderprogrammen des Landes Niedersachsen bieten Landeshauptstadt und die Region Hannover mit ihrem Wohnraumförderprogramm zusätzliche Angebote, die Schaffung von sozialem Wohnraum zu fördern – sowohl für Haushalte mit geringem als auch mit mittlerem Einkommen.

Mit der WohnBauInitiative (WoBI) unterstützt die Region Hannover die regionsangehörigen Städte und Gemeinden bei der Wohnraumversorgung und wirbt für mehr und verdichteten Wohnungsbau, insbesondere im Marktsegment Mehrfamilienhausbau.

Hierzu nutzt die Initiative verschiedene Instrumente, um die regionsangehörigen Kommunen in den Bereichen Innenentwicklung und Bestandsaktivierung sowie Flächenaktivierungsstrategien zu unterstützen.

Unter anderem Politik und Verwaltungen in den Kommunen werden für die Themen Mehrfamilienhausbau, höhere Dichten und Nachhaltigkeit (Wärmeversorgung) sensibilisiert. Planungsverwaltung und lokale Immobilienwirtschaft diskutieren gemeinsam in Netzwerken über die Zukunft des modernen Wohnungsbaus, der modern, bezahlbar und nachhaltig sein soll. Auch die Landeshauptstadt Hannover strebt eine Verlängerung und Ausweitung ihrer erfolgreichen Wohnbauinitiative mit der regionalen Wohnungswirtschaft und eine Fortschreibung des Wohnkonzeptes bis 2035 an.

Ausblick: Wohin steuert der Wohnimmobilienmarkt?

Bei den laufenden und seit langem geplanten Projekten sind die skizzierten Trends und Auswirkungen nicht vollständig sichtbar, da diese Projekte bereits im Bau sind und die Finanzierungen oft noch zu alten Konditionen gesichert wurden.

Allerdings führen die Finanzierungs- und Nachfragesituation, gestiegene Baustoffkosten, instabile Lieferketten und Fachkräftemangel dazu, dass neue Projekte und teilweise auch die Entwicklung weiterer Bauabschnitte bereits geplanter Baugebiete mit Verzögerung begonnen werden. Im Ergebnis fehlen perspektivisch dringend benötigte Wohnungen, was den Druck im Mietmarkt zusätzlich erhöht.

Die Unsicherheit wegen der vielen und sich teilweise gegenseitig verstärkenden Effekte ist auf Angebots- und Nachfrageseite groß. Durch die ersten fertiggestellten Bauabschnitte der Großprojekte Kronsberg-Süd und Wasserstadt Limmer konnten im Gesamtjahr 2023 rd 5.300 fertiggestellte Wohnungen in der Region Hannover registriert werden.

Ein Höchststand seit 1999, wenngleich die Genehmigungs-zahlen aktuell deutlich gesunken sind. Um den ungebrochenen Bedarf an preiswertem bzw. gefördertem Wohnraum auch unter den aktuellen Bedingungen zu decken, sehen die regionalen Akteur*innen deutlichen Handlungsbedarf.

Zinsentwicklung, Inflation, steigende Energiepreise und der zunehmend spürbare Klimawandel verunsichern nach wie vor viele potenzielle Investor*innen und Projektentwickler*innen. Diese ziehen sich zunehmend in die Marktbeobachtung zurück, anstatt neue Projekte zu starten. Zu unsicher und nicht abschätzbar erscheinen derzeit die sich zuspitzenden Krisen und Herausforderungen.

Sobald sich die Trends in den skizzierten Entwicklungen klären und festigen, ist damit zu rechnen, dass auch am regionalen Markt sowohl Investor*innen als auch Käufer*innen wieder aktiv werden und sich auf der Angebots- wie auch Nachfrageseite die Preisvorstellungen entsprechend anpassen. Die Zinsreduktion vom Juni 2024 hat die Leistbarkeit von Immobilien wieder erhöht.

Die aktuellen Prognosen zeigen einen Einbruch bei den Preisen bzw. den Kaufpreisvorstellungen, sowohl beim Bestand als auch im Neubau. Mit Notverkäufen von Core-Projekten ist zwar nicht unbedingt zu rechnen. Allerdings ist die Krise bei den Projektentwicklern noch nicht ausgestanden. Sowohl bei sanierungsbedürftigen Bestandsimmobilien als auch bei Neubau-Projektentwicklungen kann es weiterhin zu neuen Bewertungen kommen, wenn die Mischung aus steigenden Baukosten, Zinsen und sich verengenden Exit-Faktoren dazu führt, dass die auf früheren Annahmen aufbauenden Kalkulationen nicht mehr aufgehen.

Die Zinsreduktionen in 2024 haben die Leistbarkeit von Wohnimmobilien wieder erhöht.

 

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