Einzelhandel
Die Region Hannover ist einer der umsatzstärksten Handelsstandorte in Deutschland. Für 2024 liegen die Umsatzerwartungen für die Region bei rund 8,57 Mrd. Euro im Einzelhandel, ein Plus von mehr als 400 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr.
Hannovers Top-Lagen Georgstraße, Große Packhofstraße, Bahnhofstraße und Karmarschstraße ziehen die Kundschaft nach schwierigen Jahren wieder zuverlässig in die Innenstadt. Im Umland prägen Fachmarktagglomerationen, Shoppingcenter, Stadtteillagen und attraktive Innenstädte den Einzelhandelsstandort Hannover.
Markstimmung und Trends
Die insgesamt auf hohem Niveau stabilen Frequenzdaten für Hannover zeigen für 2023 und das erste Halbjahr 2024, dass die aktuell schwache Konsumneigung der Verbraucher*innen nur leichte Schwankungen der Besucherzahlen in der Innenstadt von Hannover verursacht, sowohl was den Vergleich mit 2022 als auch mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 angeht.
Der positive Trend ist nach Einschätzungen von Marktteilnehmer*innen auch bei den Vermietungen in den Innenstadtlagen von Hannover ablesbar. Nachdem bereits 2022 und 2023 das Vor-Corona-Niveau wieder übertroffen werden konnte, wurde im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahrshalbjahr 2023 ein deutlicher Zuwachs der Umsätze um 42 % auf insgesamt rd. 5.500 qm erzielt.
Damit wurden zur Jahresmitte 2024 schon mehr Flächen neu angemietet als im Gesamtjahr 2023 (knapp 5.000 qm).
Steigende Frequenzen können aber nur bedingt der nach wie vor sehr angespannten und schwierigen Lage im stationären Einzelhandel entgegenwirken. Trotz hoher Passantenfrequenzen und positiver Bewegung im Einzelhandelsbesatz haben viele Händler*innen mit der Schwierigkeit zu kämpfen, die Kund*innen nicht nur in ihre Läden zu holen, sondern auch nachhaltig ihre Umsätze zu steigern.
Spitzenmieten unter Druck
Der Rückgang der als realisierbar eingeschätzten Mieten in den 1a-Lagen ist zwar weiterhin eher moderat, dennoch ist ein stetiger Abwärtstrend bei den Spitzenmieten für Einzelhandelsflächen zu beobachten. Ende 2023 pendelte sich die Spitzenmiete bei rund 160 Euro pro qm ein, für das laufende Jahr rechnen die Marktteilnehmer*innen mit einer Stabilisierung.
Allerdings ist weiterhin ist eine zunehmende Schrumpfung der Lagebereiche zu beobachten, in denen sich diese Spitzenmiete realisieren lässt. Außerhalb der absoluten Top-Lagen ist mit deutlichen Mietabschlägen zu rechnen.
Dies führt auch zu einer Verschiebung im Handelsbesatz, bestimmte Lagebereiche werden für Einzelhändler*innen oder Gastronom*innen wieder bezahlbarer. Insgesamt sind deutlich mehr Leerstände in der Innenstadt in allen Lagen zu beobachten als noch vor der Pandemie.
Fachmarktlagen mit dem Schwerpunkt Lebensmitteleinzelhandel sind dagegen sehr stabil und weisen nur geringe Leerstandsquoten auf. Stadtteillagen und integrierte Einzelhandelsstandorte im Umland haben nicht zuletzt auch während der Corona-Pandemie von ihrer Nähe zur Kundschaft und ihrer Nahversorgungsfunktion profitiert.
Dennoch nehmen Handelsunternehmen auch an diesen Standorten eine vorsichtige Haltung ein, was sich auf die Nachfrage bzw. Positionierung von Handelsimmobilien am Investmentmarkt auswirkt.
Investmentmarktumfeld
Während der Anstieg der Nettoanfangsrenditen für 1a-Lagen auf einen Mix aus Zinsumfeld und Risikoeinwertung zurückzuführen ist, ist er im Fall der Fachmarktlagen fast ausschließlich auf das veränderte Zinsumfeld zurückzuführen.
Gemäß der aktuellen Prognose steigt die realisierbare Spitzenrendite für ein Geschäftshaus in 1a-Lage im Jahresverlauf auf ca. 4,8 % und für Fachmarktlagen auf 5,6 % (jeweils plus 30 Basispunkte).
Ausblick: Strukturelle Veränderungen in der Innenstadt
Der Druck auf den Handel nimmt nicht erst aktuell aufgrund vieler Insolvenzen und steigender Leerstände zu. Branchenexpert*innen und den lokalen Marktteilnehmer*innen ist seit Längerem klar, dass den Innenstädten in Stadt und Region Hannover einschneidende strukturelle und strategische Veränderungen bevorstehen.
In besonderer Weise gilt das für die Innenstadt von Hannover, die mit der Schließung von gleich zwei Warenhäusern des Galeria-Konzerns betroffen ist. Corona-Pandemie, Inflation und die – auch durch weitere Krisen – bedingte Kaufzurückhaltung sind nicht als Auslöser der Schwierigkeiten des Einzelhandels zu sehen, sie verschärfen lediglich bereits seit Längerem bestehende negative Trends im stationären Handel.
Die Innenstädte sind in den letzten Jahrzehnten vor allem durch den Handel geprägt worden. Kernaufgabe einer zukunftsorientierten Entwicklung der Innenstadtlagen wird sein, den Wandel als Chance zu begreifen, der Raum für neue Konzepte und Ideen schafft.
Zukünftig bedarf es multifunktionaler Innenstadtkonzepte: Wohnen, Kultur, Gastronomie, Aufenthaltsqualität, Erreichbarkeit mit dem ÖPNV oder Rad und Dienstleistungen neben dem Handel werden als Entwicklungsbausteine wichtiger.
Dies wird ein langsamer und schwieriger Entwicklungsprozess, der von allen Beteiligten Geduld und Kapital erfordert und der noch nicht von allen Innenstadtakteur*innen angenommen wird.
Innenstadt Hannover: Neue Konzepte erfolgreich erprobt
Die Herausforderungen für den stationären Einzelhandel und mit ihm auch für die Innenstädte bleiben also vielfältig. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass der Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich die gegenwärtige Phase durch Anpassungsfähigkeit, Mut und neue Konzepte meistern wird.
Die hohen Passantenfrequenzen in der Innenstadt Hannovers zeigen, dass die Citylagen trotz der Krise im Einzelhandel attraktiv bleiben. Hier liegen Potenziale, die bei der Umsetzung neuer Konzepte und Ideen gehoben werden können.
Erfolgsmodell aufhof als innerstädtischer Experimentierraum
Sinnbildlich für die Transformation der Innenstadt steht das kürzlich abgeschlossene Zwischennutzungsprojekt aufhof im ehemaligen Kaufhof an der Marktkirche. Zwischen Juni 2023 und Juli 2024 wurde das Erdgeschoss des Gebäudes auf rund 5.000 qm als Forum für Stadtentwicklung und Baukultur, für innovative Wissenschaft „zum Anfassen“ und für einen kreativen Umgang mit den zukünftigen Herausforderungen der Stadt genutzt.
Mehr als 250.000 Besucher*innen kamen zu rund 750 Veranstaltungen und 30 Ausstellungen. Das Projekt steht damit auch beispielhaft für die Transformation der Innenstadt, die sich auf die Folgen des Klimawandels, wirtschaftliche und gesellschaftliche Änderungen und die Digitalisierung aller Lebensbereiche einstellen muss.